In aller Frühe waren sie aufgestanden, mit dem Flugzeug und Zug aus St.Gallen angereist, ließen sich in das völlig unbekannte Grenzgebiet von Österreich und Tschechien bis nach Retz bringen, um bereits am späteren Nachmittag des selben Tages, im Atelier die ersten mutigen Pinselstriche in diesem Sommermalkurs zu wagen. Alles Damen fortgeschrittenen Alters wohlverstanden!

Fünf ganze Tage wollten sie hier mit mir verbringen und Retz gefalle ihnen ganz prima. Das Wetter war gut, also schwärmten wir aus und fanden uns an schönsten Orten zu genussvollem Malen ein. Schwierig war dabei einzig die Entscheidung  welcher Platz nun zuerst aufgesucht werden sollte, denn die Auswahl war groß.

In der Stadt lockten — umgeben von Weingärten — der Turm am Stadtgraben und die alten Gemäuer des Klosters, und natürlich der Hauptplatz mit seinen hübschen  Häusern, die farbenfroh ins Bild geholt und festgehalten werden wollten. Dabei erwiesen sich die weichen, teilweise erblassten Farben der Fassaden, die geheimnisvollen Fenster und die stolz in den Himmel ragenden Giebel und nicht zuletzt das warme Spätsommerlicht, als echte Herausforderung, welche die Damen aber prima meisterten.

Einen wunderbaren Kontrast bildeten die unterschiedlichen Grünklänge mit denen sich die Malerinnen an den Ufern der Thaya in Hardegg beschäftigten. Rund um die hellen Felsen breiteten sich Wälder in sattem Sommergrün über die steilen Hänge aus und uralte Bäume säumten die Ufer oder neigten sich müde über den Fluss. Und das Wasser…smaragdgrün mit zartblauen Reflexen schimmerte es in der Ferne, von Nahem betrachtet wiederum, leuchtete es in erdigem Braungrün, durchzogen von dünnen hellgrünen Algensträngen, die mit winzigen weißen Blüten wie die Haare einer Braut im diesem Fließen lagen.

„Ach Gott, es ist so wunderschön hier… dies zu malen schaffe ich nie..“ seufzten die Damen überwältigt und klappten nur zögerlich ihre Sessel auf. Worauf hatten sie sich da bloß eingelassen!
Erste zaghafte Skizzen entstanden, machten wieder Mut und siehe da, es ging doch. Kobalt und Coelinblau wurde mit hellem Gelb und Ocker zu unendlich vielen Grüntönen gemischt und die zauberhafte Flusslandschaft bekam auf den Papieren ein neues, ganz persönliches Gesicht.
Die Damen waren zufrieden mit ihren Werken. Vielleicht die Bäume, meinten sie, die Bäume sollten wir noch besser malen können. Also widmeten wir uns am nächsten Tag  den Bäumen, studierten Wuchs und Oberflächen und fanden anschließend herrliche Exemplare in den Angergärten von Unterretzbach, die zu weiteren kraftvollen Bildern führten.

„Es war so schön…ich hätte nie gedacht, dass ich solche Bilder schaffen kann…ich möchte weiter malen…ich freue mich schon auf ein nächstes Mal..“meinten die Damen zum Abschied.

Auch ich war bewegt und ließ sie nur ungern gehen, sie waren mir lieb geworden. Sieben Frauen mit langen Lebensgeschichten, die sich nie zuvor getroffen hatten, waren zu mir hergeflogen, um sich dem Malen hinzugeben und zu ihrer ganz persönlichen Kunst führen zu lassen. Sie hatten sich zu einer einfühlsamen Gruppe gefunden, sich selbst anders erleben und Neues für sich schaffen können.

Es hätte nicht besser sein können, das weiß ich ganz sicher.