Ich gebe zu, sie ist ist nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen und das seltsame Gebilde, welches darüber schwebt, macht das auch nicht einfacher!
Es begann damit, dass wir in der Ausbildung zur Mal- und Gestaltungstherapeutin als Übung den Auftrag bekamen, eine kleine Skulptur in Blattgold zu schaffen, die zu meinem aktuellen Lebensgefühl passen würde. Ich fühlte mich gerade rundum echt gut, zufrieden und gewiss, auf dem richtigen Schiff zu sein, mit vollen Segeln unterwegs auf dem goldenen Fluss des Lebens.
Der goldene Fluss, dachte ich, ja, das war mein Thema!
Eine Flussskulptur also, eine Welle. Ich hatte noch ein Paket lufthärtende Keramikmasse zu Hause, die wollte ich zu einer Welle verarbeiten. Die Masse fühlte sich geschmeidig an und ich formte sie durch geduldiges Streichen und Dehnen zu einer dreiteiligen Welle. Jedenfalls in meinen Augen schien es eine Welle zu sein.
Aber meinem Gefühl nach fehlte noch etwas. Ich brauchte noch einen Flügel dazu, er sollte meine Inspiration, meine Leichtigkeit darstellen und an einem Silberdraht über der Welle schweben! Die Keramikmasse erwies sich als zu schwer für den Flügel, eine Holzmasse ebenso, etwas Leichtes musste her. Federleicht wie Luft sollte es sein, eine Luftfolie. Ich baute mir in mehreren Schichten einen kleinen Flügel aus Luftfolie und war mit mir zufrieden.
Dann kam das Vergolden. Arbeiten mit Blattgold ist nicht meine Spezialität, soviel ist sicher. Das hauchdünne Material zerriss mir beim Auftragen in kleine Fetzchen, die flogen bei jedem Atemzug durch die Luft oder klebten an meinen Fingern und zerrten an meinen Nerven. Ich kämpfte mit dem Blattgold, das mir so brüchig schien, wie das Glück, das Gold angeblich bewirken soll! Ich gab mir Mühe, beklebte Welle und Flügel so gut es ging mit den zarten Goldblättchen und ergänzte Lücken mit flüssigem Goldlack. Nun war sie fertig und ich trug sie zum Trocknen in den Garten.
Ich war mächtig stolz auf mein Werk. Die Welle blitzte in der Sonne, als schwappe sie von einem anderen Stern herüber. Ja, sie war vielleicht nicht sofort als Welle erkennbar und hatte eine Menge rauer Stellen, die sich partout nicht glätten ließen, aber eben das verlieh ihr etwas Wildes, Unbezähmbares, so wie Wellen der Kreativität eben sein sollten. Sie würde in meinem Atelier einen Spitzenplatz bekommen, nahm ich mir vor.
Sie hat ihn bekommen. Sie wartet schon draußen auf dem Schild vor der Haustür und wenn jemand erstaunt und höflich fragt: „Was ist denn das?“, sage ich noch immer: „Das ist mein goldener Fluss, sieht man das nicht?“
Neueste Kommentare